Ganz in der Nähe von Uffenheim, in Bad Windsheim, leistete ich in den späten siebziger Jahren meinen Zivildienst. Meine Kindheit und Jugend hingegen verbrachte ich im nahen Ansbach. Dort gibt es in der näheren Umgebung ein Kaff mit dem schönen Namen Adelmannssitz. Die Eingeborenen nennen es kurz und bündig „Gsäß“. Ludwig Fels hätte das sicherlich gefallen …
Warum erzähle ich das? Warum schweife ich ab? Schweife ich überhaupt ab? Kann man abschweifen, wenn man über Ludwig Fels schreibt? Weil auch Ludwig Fels abschweift. Ständig. Das ganze Buch ist ein einziges Abschweifen. Ein Abschwiff.
Mitten im Rede- und Denkfluss bestellt er sich eine Schweinshaxe. Eigentlich hätte es ja ein Schäuferla sein müssen. Er sinniert über Gigerla und Göckerla, Sulz und Zatter. Und natürlich über die wunderbare fränkische Hochzeitssuppe: „Von den Franken wird die Suppe auch dann gegessen, wenn niemand Heiratsabsichten äußert. Aber ich schweife ab.“ Er verrät nicht, was in eine Hochzeitssuppe gehört, damit es eine ist. Deshalb will ich das an dieser Stelle tun: Es gehören „mindestens“ vier Einlagen hinein: Pfannkuchenstreifen, Leberklößchen, Mehlklößchen und Suppenbiskuit. Mahlzeit.
Ludwig Fels berichtet auch, dass er einmal in Treuchtlingen in der Brauerei Schäff gearbeitet hat: „Ich arbeitete an der Abfüllanlage, soff eisiges Bier aus klirrenden Flaschen, jeder Schluck von berauschender Gewalt“. Für mich ist das reinste Poesie. Auch ich war beim Schäff, und zwar auf Klassenfahrt. Ich übte ja viele Jahre das aufopfernde Amt des Klassensprechers aus und war als solcher zuständig für unsere halbjährlich stattfindenden industriesoziologischen Forschungsfahrten. Schäffbräu war mir als lohnenswertes Ziel aufgefallen, weil ich gelesen hatte, dass man dort das damals weltweit stärkste Bier zu brauen in der Lage war. Mit rund 40 Volumenprozent schmeckte es ehe nach Likör als nach Bier. Man trank es aus verschwindend kleinen Gläschen. Aber es war wirkmächtig und unsere Exkursion zum Schäffbräu war ein voller Erfolg. An die Rückfahrt habe ich keine Erinnerung.
Bei der Lektrüe von Ludwig Fels fällt einem das alles wieder ein. Bis auf die Rückfahrt natürlich. Wie schreibt Ludwig:
„Im Rausch rauscht alles dahin. Da droben, zu meinen Häupten, rauscht das Laub, es muss mir nichts sagen, denn dass ich betrunken bin, weiß ich selbst, und wenn nicht ich, dann die Bedienung. Ich mag sie, weil sie mich tränkt. Wo bin ich? Und warum ich? Und warum da? Und warum jetzt? Und warum nicht für immer?“
Ja, „Ein Sonntag mit mir und Bier“ ist ein Jugendbuch. Es flasht einen Jahrzehnte zurück in einen fränkischen Sommer:
„Man war jung und das Warten machte Spaß. Man war verliebt oder hatte Liebeskummer, weil das am einfachsten war, eins von beiden und so wenig Zeit wie möglich dazwischen.“